Schattenarbeit - Verstrickungen in Beziehungen lösen

Kennst du das? Du regst dich über ein Verhalten einer Person unverhältnismässig stark auf und fragst dich im Nachhinein, warum du dich eigentlich so genervt hast? Oder jemand triggert dich immer wieder mit seinem aus deiner Sicht unerhörten Verhalten? Z.B. die unpünktliche Kollegin, die dich warten lässt, oder der Freund, der schnell aufbrausend wird?

Dir kommt jetzt vielleicht eine Person in den Sinn, die eben diese Gefühle in dir auslöst. Hast du Lust, mal genauer hinzuschauen und dich eventuell mit dem Gedanken anzufreunden, dass es auch mit dir zu tun haben könnte, wie du auf solches Verhalten reagierst?

Schattenarbeit und seine heilende Wirkung

Wenn dich das Verhalten einer anderen Person stark aufregt, kann es sein, dass in diesem Moment eines deiner Schattenthemen berührt wird. Aber was sind eigentlich Schatten und welche Dynamiken stecken dahinter, dass wir uns ärgern oder wütend werden?

Die verdrängten Schatten

Der Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung beschreibt den Schatten als das „Nicht-Ich“, als jene Aspekte unserer Persönlichkeit, die wir nicht sein wollen. Der Schatten enthält all das, was nicht zu dem Bild passt, das wir von uns selbst haben und anderen zeigen möchten. Das sind Eigenschaften, die wir aufgrund unserer kindlichen Prägungen und schmerzlicher Erfahrungen in unserem Leben nicht zulassen können oder wollen.

Der Schatten ist all das, was du auch bist, aber auf keinen Fall sein willst.

Wir unterdrücken diese Seiten beispielsweise aus Angst vor Ablehnung, Verletzung oder unerwünschten Konsequenzen. Wir entwickeln raffinierte Schutz- und Kompensationsstrategien, um diese unerwünschten Seiten zu verstecken. So passen wir uns permanent an, um respektiert und geliebt zu werden. Das bringt den Vorteil, dass wir in die Gesellschaft und unser Umfeld passen und viele unserer Bedürfnisse erfüllt werden.

Der grosse Nachteil aber ist die Anstrengung, ständig Gefühle und Verhaltensweisen unterdrücken zu müssen. Wir verstellen uns wie ein Schauspieler, der sich so verhält, wie es von uns erwartet wird. Als hätten wir eine Theatermaske, die wir je nach Situation und Publikum wechseln können. Im Gegensatz zu diesem von C.G. Jung als “Persona” bezeichnete Ich-Anteil wird der “Schatten” im Unbewussten versteckt und verdrängt, was immense Energie erfordert.

Interessant ist, dass unsere ungeliebte Seite nicht nur negative Eigenschaften, sondern auch versteckte, ungenutzte Ressourcen beinhaltet. Zum Beispiel unser wahres Potenzial, das uns Angst macht, weil wir nicht wissen, wie wir es zum Ausdruck bringen können und was für Konsequenzen das hätte.

Woher kommen denn diese Schatten?

Es gibt verschiedene Situationen und Gegebenheiten, welche die Entstehung von Schatten begünstigen. Der grosse Teil davon entsteht in unserer frühen Kindheit, also dann, wenn wir von unseren Bezugspersonen abhängig sind.

Kindheit und Prägung

Unsere Persona und unser Schatten entstehen hauptsächlich durch die Erfahrungen mit unserem Umfeld und die Reaktionen, die wir darauf erhalten. In der Kindheit lernen wir durch die Wertungen unserer Ursprungsfamilie, welche Eigenschaften als gut oder schlecht gelten. Diese Bewertungen übernehmen wir und bilden daraus unser Selbstbild.

Konditionierung

Die Erziehung, das Vorbild der Eltern und das allgemeine Familienklima spielen eine grosse Rolle in unserer Entwicklung. Diese Prägung erfolgt durch Belohnung (Anerkennung, Lob, Liebe) und Bestrafung (Kritik, Ablehnung, Rückzug). Die Konditionierung setzt sich in der Schule, bei Freunden und im weiteren sozialen Umfeld fort. Kultur und Gesellschaft beeinflussen ebenfalls unsere Wertvorstellungen und Ideale.

Veranlagung und Neigungen

Neben der äusseren Prägung beeinflussen auch unsere Veranlagungen und Wesenszüge die Entwicklung unserer Persona. Die Eigenschaften, die in unserem Umfeld gut ankommen, verstärken wir, während wir andere unterdrücken.

Dynamiken rund um den Schatten - wie wirken sich unsere Schattenthemen auf unser Leben aus?

Kompensation - Maske auf

Kompensation bedeutet, das Gegenteil des ungeliebten Schattens auszuleben, um zu beweisen, dass man nicht so ist. Diese Überbetonung des Gegenteils führt oft zu einem zwanghaften und unnatürlichen Verhalten, das aus einem Bedürfnis nach Bestätigung resultiert. Wenn du also die angesprochene Unpünktlichkeit ablehnst, wirst du übertrieben pünktlich sein, also lieber einmal gehetzt durch die Stadt sprinten als eine Minute zu spät zu sein…

Der innere Kritiker überwacht ständig unser Verhalten, um sicherzustellen, dass wir unserem Persona-Anspruch gerecht werden und keine Schattenanteile sichtbar werden. Wir tragen verschiedene Masken und verstecken unser wahres Ich dahinter, um angenommen, geliebt und akzeptiert zu werden. Das braucht viel Energie und macht uns unzufrieden, unser Leben kann sich sogar wie fremdgesteuert anfühlen.

Der Schatten ist wie ein Fass ohne Boden, das alle Kompensation die man hineingiesst, verschluckt, ohne je voll zu werden.

Wir bemerken solche Kompensationsstrategien auch häufig bei der Arbeit, wo wir uns stark an die Werte und gewünschten Verhaltensweisen anpassen, die im Betrieb vorherrschen. Dabei fühlen wir uns zunehmend unwohl und spüren beim nach Hause kommen regelrecht, wie unsere Maske von uns fällt und wir uns wieder anders verhalten. Wir sind also nicht authentisch und verhalten uns so, wie andere es von uns erwarten oder so, wie wir es uns selbst erlauben. Nicht so, wie wir wirklich sind.

Projektion - if it triggers you, it’s for you…

Es ist einfacher, andere zu verurteilen, als bei sich selbst hinzuschauen. Schattenanteile, die wir verdrängen, projizieren wir oft auf andere. In der Projektion erscheinen uns die Schatteneigenschaften nicht als Teil von uns, sondern als Eigenschaften der anderen.

Die Kollegin ist unpünktlich, das triggert und verletzt dich. Das ist eine Projektion, sie verzerrt unsere Wahrnehmung und verhindert, dass wir den Schatten in uns selbst erkennen. Wir reagieren dann unverhältnismässig und regen uns wahnsinnig auf, wenn wir fünf Minuten warten müssen. Wir verurteilen unsere Kollegin dafür.

Jeder Krieg gegen jemand ist ein Krieg gegen sich selbst.

In Wahrheit ist die Situation für uns so aufwühlend, weil sie einen unterdrückten Schattenanteil anspricht. Erst, wenn wir diesen Schatten aus unserem inneren Gefängnis entlassen, können wir die Situation wieder so wahrnehmen, wie sie wirklich ist: Meine Kollegin ist einfach ein paar Minuten später da als ich, sie freut sich, mich zu sehen, ihre leichte Unpünktlichkeit kommt daher, dass Sie keine Lust hatte, sich selbst zu stressen. Punkt.

Blinde Flecken und innere Kritiker

Der innere Kritiker ist der Oberwächter unseres Schattengefängnisses und verurteilt uns, wenn wir unserem Selbstbild nicht gerecht werden. Sprich, wenn wir ein Verhalten ausleben, das wir eigentlich unterdrückt haben (manchmal schaffen wir es einfach nicht, es genug weit runterzudrücken). Diese ständige Selbstkritik führt zu Gefühlen von Versagen, Unzulänglichkeit, Schuld und Scham. Wir verpuffen enorme Energie, um unsere Masken aufzubehalten und Schattenthemen einzusperren.

Auswirkungen des Schattens auf unsere Beziehungen

Innere Spannungsfelder

Der ungeliebte Schatten verursacht also heftige innere Spannungen und stört unser Selbstwertgefühl. Die Ablehnung und Verurteilung dieser Anteile kann zu Selbsthass und Selbstbestrafung führen. Der unbewusste Kampf zwischen Persona und Schatten verursacht Stress und beeinträchtigt unsere Lebensfreude.

Problematische Beziehungen

Schatten führen zu Unechtheit und Distanz in Beziehungen. Menschen, die stark von ihren Schatten beeinflusst werden, wirken oft marionettenhaft und schwer zugänglich. Diese innere Zerrissenheit bindet immense psychische Energie und führt zu Erschöpfung.

Man kann aus dem, was jemand über andere sagt, mehr über einen Menschen erfahren als aus dem, was andere über ihn sagen.

Verhalten von anderen wird verurteilt, weil unsere Wahrnehmung durch unsere Verdrängungsmechanismen verzerrt ist. Wir verurteilen andere für Eigenschaften, die wir selbst verdrängt haben, die bei uns Schmerz oder Ärger auslösen. Vielleicht möchten wir insgeheim auch einfach mehr so sein wie die anderen, deshalb können wir mit diesem Verhalten nur schlecht umgehen. Solche Schatten haben also einen riesigen Einfluss, wie wir mit anderen Menschen agieren.

Was können wir nun tun, um diesen Schatten entgegenzuwirken?

Wie du siehst, beeinflusst die Verdrängung von Schatteneigenschaften unser Leben stark. Je mehr wir etwas unterdrücken, desto stärker bestimmt es „unterirdisch“ unser Verhalten und unsere Entscheidungen.

Die gute Nachricht ist: In jedem negativen Schatten verbirgt sich ein positives Potenzial.

Mit gezielter Schattenarbeit akzeptieren wir die von uns als negativ gewerteten Eigenschaften, die in uns stecken. Das heisst nicht, dass wir sie ausleben, sondern dass wir sie nicht mehr als grundsätzlich schlecht verurteilen. Es geht darum, den Aspekt der Verurteilung loszulassen.

Diese neue Sichtweise eröffnet uns die Möglichkeit, die darin enthaltenen positiven Aspekte zu sehen. Bei unserem Beispiel mit der unpünktlichen Kollegin erkennen wir so plötzlich, dass die Unpünktlichkeit nichts mit uns selbst zu tun hat. Unpünktlichkeit heisst nicht, dass du es nicht Wert bist, dass jemand zur vereinbarten Zeit kommt (dieses Gefühl hat dir früher als Kind vielleicht dein Vater gegeben, der dich oft warten liess), sondern dass deine Kollegin lieber ein bisschen später, dafür entspannt ankommt.

Oder du hast nach der Akzeptanz deines Schattens der Wut nun Verständnis für deinen aufbrausenden Freund. Du hast dein schmerzliches Erlebnis in Zusammenhang mit Wut gelöst und es trifft dich nicht mehr, wenn jemand wütend wird. Du erkennst im Schattencoaching, dass ausgelebte Wut den Vorteil hat, angestaute Energie loszuwerden und kannst das Verhalten nun verstehen (gutheissen musst du es nicht).

Schattencoaching - wie du dich von deinen Schatten befreien kannst

Schattenarbeit bedeutet also, verdrängte Aspekte zu erkennen und zu integrieren, positive Anteile des Schattens zu befreien und den Rest loszulassen. Dieser Prozess führt zu einem erweiterten und freieren Selbstbild, indem er das Ich-Gefühl dehnt. Schattenarbeit ist ein Rückbau angesammelter Selbstbilder und Begrenzungen, was zu einem tieferen Selbstverständnis führt. Dieser Prozess kann herausfordernd sein, ist jedoch zutiefst heilsam und lohnend. Du findest zurück zu dir selbst.

Schattenarbeit wird oft mit dem Abstauben einer Lampe verglichen: Wenn wir den Staub entfernen, kommt das innere Licht zum Vorschein.

Schatten wollen integriert werden. Sie wollen aus deinem inneren Gefängnis entlassen und angenommen werden. Sie wollen gesehen werden, aus dem Dunkeln kommen, damit der helle Anteil darin entdeckt werden kann.

Projektion erkennen und zurücknehmen

Der erste Schritt zur Integration von Schatten ist, Projektionen zu erkennen. Dank bewusster Wahrnehmung ist die Erkenntnis, dass du einen deiner Schattenanteile gegenüber anderen projizierst, relativ einfach festzustellen. Dies bringt eine Erleichterung und führt aus der Opferhaltung in die Schöpfer-Energie.

Den Schatten integrieren

Die Integration des Schattens bedeutet, ihn anzuerkennen und anzunehmen. Das bedeutet nicht, dass das Verhalten von anderen bedingungslos akzeptiert werden muss. Es bedeutet lediglich, dass du akzeptierst, dass die Veranlagung für diese Eigenschaft oder dieses Verhalten auch in dir ist.

Besonders tief verbannte Schatten tragen oft grossen Schmerz in sich. Es ist wichtig, den Schmerz im Schatten zu erkennen und Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln.

Bedürfnisse erkennen

Schattenverhalten ist oft ein Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse. Indem wir diese Bedürfnisse erkennen und verstehen, können wir den Schatten integrieren. Diese Bedürfnisse laufen oft auf Liebe und Selbstliebe hinaus.

Das Gold im Schatten erkennen

In jedem Schatten steckt eine positive Energie. Wenn wir diese erkennen, fällt die Integration leichter. Wir gewinnen an Ganzheit und unsere Persönlichkeit wird runder und kraftvoller.

Der Gewinn von Schattenarbeit - du wirst “ganzer”

Durch die Integration unserer Schattenanteile werden wir authentischer, reifer und kraftvoller. Wir gewinnen an Energie und werden klarer in unseren Entscheidungen und der bewussten Gestaltung unseres Lebens.

C.G. Jung sagte: Ich will lieber ganz sein als gut.

Schattenintegration führt über die Selbstannahme zu echter Selbstliebe und ermöglicht uns, unser wahres Selbst zu leben. Dies stärkt unsere inneren Ressourcen und verbessert unsere Beziehungen, da wir uns selbst und anderen gegenüber liebevoller und verständnisvoller werden.

sichtbar sein Schattencoaching

Im Coaching arbeite ich gezielt mit Schatten, wenn sich diese im Thema meiner Klienten bemerkbar machen. Vor allem Konflikte und Probleme in Beziehungen können mit der Integration von eigenen Schattenthemen oft schnell gelöst oder entspannt werden.

Dafür steht mir eine vielfalt an Tools und Techniken zur Verfügung, die ich je nach Thema und Wesen des Klienten zur Schattenarbeit einsetze.

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